Vergleich ÄVWL zur DRV

Wie funktioniert die ÄVWL?

Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Funktionsweise der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Hier finden Sie Antworten auf bisher noch offene Fragen.

1. Die ÄVWL als Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung

Seit Gründung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) im Jahr 1960 ist unser berufsständisches Versorgungswerk eine Einrichtung der Ärztekammer Westfalen-Lippe: Oberstes Legislativorgan der ÄVWL ist die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe, deren Angehörige ihr Mandat bei den regelmäßig stattfindenden Wahlen zur Kammerversammlung erhalten. Die Kammerversammlung ist es auch, die die Exekutivorgane der ÄVWL besetzt – das sind ein Aufsichtsgremium, der sogenannte Aufsichtsausschuss, und das geschäftsführende Selbstverwaltungsorgan, der sogenannte Verwaltungsausschuss.

Zehn Vorurteile und Irrtümer beim Vergleich von DRV und ÄVWL

Die gesetzliche Rente hat aber...

Die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und die verschiedenen Finanzierungsverfahren von gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung führen regelmäßig zu einem Vergleich der Systeme. Dabei zeigt sich ebenso regelmäßig, dass hier einige Vorurteile und Irrtümer existieren.

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Die gesetzliche Rente hat aber…

 

Diese Rechtsetzungsbefugnis ist einzigartig in der ersten Säule der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gewährt den Angehörigen der freien Berufe – und damit auch den Ärztinnen und Ärzten in Westfalen-Lippe – ein unvergleichliches Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der sie betreffenden Altersversorgung.

Über die ÄVWL sind unsere Mitglieder Teil eines Pflichtversicherungssystems, das vielfältige Versicherungsleistungen, wie die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung, nach dem Heilberufsgesetz NRW sicherstellen muss. Die ÄVWL als Einrichtung der Ärztekammer Westfalen-Lippe unterliegt über das Ministerium der Finanzen des Landes NRW der Rechts- und Versicherungsaufsicht des Landes NRW. Die ÄVWL verfügt über eine eigene Satzung, die die rechtliche Grundlage der ÄVWL bildet und auf dem Heilberufsgesetz NRW basiert. Da es sich bei den berufsständischen Versorgungswerken um solidarische Versicherungseinrichtungen der besonderen Art auf landesrechtlicher Grundlage im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer nach Artikel 70 des Grundgesetzes handelt, erhalten sie auch keine Bundeszuschüsse.

Dementsprechend sind berufsständische Versorgungswerke eigenfinanziert und erfüllen ihren Versorgungsauftrag in Eigeninitiative und mit eigenen Mitteln.

2. (Teil-)Kapitaldeckung und Umlageverfahren

Im Unterschied zur Deutschen Rentenversicherung (DRV) ist die ÄVWL kein rein umlagefinanziertes Alterssicherungssystem. Die Leistungszusagen in der Grundversorgung an unsere Mitglieder sind zu über 80 Prozent kapitalgedeckt, das heißt, es wird eine Deckungsrückstellung gebildet, in der Mittel zur Finanzierung der erwarteten Leistungen bereits zurückgestellt werden. Der andere Teil der Leistungszusagen beruht auf dem Teil des Umlagegedankens, der berücksichtigt, dass auch künftige Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe Pflichtmitglieder der ÄVWL werden.

3. Die drei Bausteine der ÄVWL-Rente

GRUNDVERSORGUNG
Die Rente aus der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. In der sogenannten Grundversorgung werden alle Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk entgegengenommen.

Die Grundversorgung zeichnet sich dadurch aus, dass sie im sogenannten „offenen Deckungsplanverfahren“ kollektiv finanziert wird. Hier werden umlagefinanzierte und kapitalgedeckte Elemente miteinander kombiniert. Das bedeutet konkret, dass in der Grundversorgung die Leistungszusagen an unsere Mitglieder überwiegend kapitalgedeckt hinterlegt sind und eine implizite Erwartung an die Rendite der Kapitalanlage in Höhe des Bilanzierungszinses („Rechnungszinses“) auf die Deckungsrückstellung von derzeit 3,8 Prozent pro Jahr enthalten. Die Ermittlung der benötigten Deckungsrückstellung erfolgt dabei grundsätzlich kollektiv über alle Versicherten und unterscheidet sich somit deutlich von einem individuellen Äquivalenzprinzip. Neben dem Bilanzierungszins werden bei der Bewertung aller erwarteten Beiträge und Leistungen die geltenden berufsständischen Richttafeln nach Heubeck als Rechnungsgrundlagen verwendet (Lebenserwartung in Form von Sterbetafeln, Berufsunfähigkeitswahrscheinlichkeit und weitere).

Der verbleibende Teil der Leistungszusage beruht im oben benannten Verfahren auf dem Umlagegedanken, dem Part, der versicherungsmathematisch berücksichtigt, dass auch künftige Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe Pflichtmitglieder der ÄVWL werden. Demzufolge kann mit einem sogenannten „ewigen Neuzugang“ von Mitgliedern kalkuliert werden, das heißt, auch künftige Beiträge nachfolgender Ärztegenerationen finanzieren bereits heute gegebene Leistungsversprechen zu einem gewissen Teil mit. Auf diese Weise konnten den Mitgliedern und Rentnern von Beginn an vergleichsweise hohe Leistungszusagen gegeben werden.

ZUSATZVERSORGUNG UND HÖHERVERSICHERUNG
Im Unterschied zur Grundversorgung bedienen sich die für Neubeiträge seit 2016 geschlossene freiwillige Zusatzversorgung und die für Neubeiträge offene Höherversicherung jedoch ausschließlich des Kapitaldeckungsverfahrens mit auf Basis der eingezahlten Einmalbeiträge aktuariell ermittelten Rentenleistungen. Wegen der Freiwilligkeit bei der Inanspruchnahme scheidet hier die Berücksichtigung von weiteren erwarteten Beiträgen und eines erwarteten (ewigen) Neuzugangs von (Pflicht-)Mitgliedern bei den versicherungsmathematischen Annahmen aus.

Das erschwert in der aktuellen Niedrigzinsphase Dynamisierungen bei der freiwilligen Zusatzversorgung, denn dort beträgt die in der Rentenermittlung und der Bilanzierung vorweggenommene Verzinsung unverändert bereits 4 Prozent.

Mehr Spielraum gibt es hingegen bei der freiwilligen Höherversicherung, die zum 1. Januar 2016 die freiwillige Zusatzversorgung ersetzt hat. Denn weil dieses Produkt vorab nur mit einer vorweggenommenen Verzinsung von 2 Prozent ausgestaltet wurde, hat die Kammerversammlung hier beispielsweise zum 1. Januar 2024 eine Dynamisierung der Anwartschaften und Leistungen um 1,25 Prozent beschließen können. An der Höherversicherung können diejenigen Mitglieder teilnehmen, die in der Grundversorgung die höchstmögliche Abgabe leisten.

Die ÄVWL führte im Jahr 2016 die Höherversicherung ein, um der erhöhten Lebenserwartung, den Forderungen des Europäischen Gerichtshofs nach „Unisex-Tarifen“ und dem sich ändernden Zinsniveau Rechnung zu tragen. Die Vorteile der Höherversicherung sind nach wie vor ihre flexible Beitragsgestaltung, die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge sowie der Wegfall einer Gesundheitsprüfung. Sie wurde seit ihrer Einführung sehr gut von den Mitgliedern angenommen.

4. Die Bedeutung des Rechnungszinses in der Grundversorgung

Die Grundversorgung ist wie oben beschrieben ein rein kollektives System mit starker Kapitaldeckung, bei dem sich die Leistungen direkt aus der Satzung ableiten. Der Rechnungszins ist hier ein Bilanzierungszins, das heißt alle erwartbaren Leistungen und alle erwartbaren Beiträge inklusive eines definierten ewigen Neuzugangs an Mitgliedern werden unter Verwendung der geltenden berufsständischen Richttafeln mit diesem Zins bewertet. Man spricht dabei von Abzinsung oder auch Diskontierung. Je höher dieser verwendete Zins ist, desto höher ist das relative Erfordernis an die Kapitalerträge auf die gebildete Deckungsrückstellung, nämlich in Höhe dieses Rechnungszinses.

Zwischen der tatsächlich erwirtschafteten Nettorendite aus der Kapitalanlage und dem Rechnungszins sollte im Mittel ein ausreichender Abstand liegen, um zum einen sicher genug die Mindestverzinsung erreichen zu können und zum anderen auch einen Überzins (über dem Mindestzins) zu erwirtschaften, der als Bestandteil des Gesamtüberschusses der Finanzierung von Leistungserhöhungen und Rücklagen dient.

Bei einem (teil-)kapitalgedeckten Finanzierungssystem stehen neben Beiträgen also auch Kapitalerträge zur Finanzierung der Leistungen zur Verfügung. Diese können zu einer verbesserten Leistung führen. Insbesondere, wenn sich demografisch negative Entwicklungen abzeichnen, sorgt die Kapitaldeckung zusätzlich für eine bessere Sicherung der Leistungen.

Dabei müssen die versicherungstechnischen Verpflichtungen aus Rückstellungen sowie die Eigenmittel von den Kapitalanlagen überdeckt werden, in übertragenem Sinne also zu einem „gedeckten Scheck“ führen. Insbesondere für die Überdeckung der Rückstellungen gelten besondere Anforderungen durch unsere Aufsicht an die Sicherheit der Anlagen, die in einer Anlageverordnung festgelegt sind, weshalb die erzielbaren Renditen nach unten, aber auch nach oben enger begrenzt werden.

Warum sind Rücklagen so wichtig?

Mit den positiven Geschäftsergebnissen der ÄVWL in den vergangenen Jahren wären gegebenenfalls zusätzliche Rentenerhöhungen möglich gewesen. Gleichwohl haben die Verwaltungsorgane der Ärzteversorgung sowie die Kammerversammlung angesichts der fortwährenden Auswirkungen der weltweiten Niedrigzinsphase in einem breiten fraktionsübergreifenden Konsens den Fokus auf eine Stärkung der offenen Rücklagen gelegt. Diese Vorgehensweise entspricht auch den Empfehlungen des externen versicherungsmathematischen Gutachters der ÄVWL und der Aufsicht.

Hintergrund dieser Geschäftspolitik ist die Tatsache, dass nur mit einem ausreichend bemessenen Risikokapital, zum Beispiel Rücklagen, Anlagen getätigt werden können, die in der Niedrigzinsphase überhaupt noch eine Rendite in Höhe unseres Rechnungszinses erwarten ließen. Auch können die Mittel zur Anpassung von sogenannten Rechnungsgrundlagen genutzt werden, ohne Leistungen reduzieren zu müssen. Mit anderen Worten: Nur durch eine Stärkung der Eigenmittel können die Sicherheit und die Stabilität des Versorgungswerkes langfristig gewährleistet werden, was letztlich allen Mitgliedern und Rentenbeziehenden gleichermaßen zugutekommt und das Versorgungswerk nachhaltig zukunftsfähig macht. Die ÄVWL kommt damit auch den Anforderungen an ein umfangreiches Management der Leistungszusagen und Risiken nach, das von ihr gefordert wird.

5. Rentenanpassungen und Inflation

Rentenanpassungen werden von den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung in ihrer Kammerversammlung jährlich geprüft, jedoch bedarf es für ihre Ausfinanzierung eines entsprechenden Kapitalbetrages, der zuvor als Überschuss festgestellt und schließlich in die Deckungsrückstellung eingestellt werden muss. Hier unterscheidet sich die
ÄVWL ganz wesentlich vom System der DRV, die eine solche Deckungsrückstellung nicht kennt und wo sich die Rentenanpassungen aus der Entwicklung der Löhne und Gehälter und einem Steuerzuschuss bei zeitgleicher Betrachtung der Leistungsausgaben speisen.

Für das Jahr 2023 wurde eine moderate Erhöhung der Rentenbezüge um 1,5 Prozent sowie eine Stärkung der Eigenmittel zur Sicherheit und Stabilität des Versorgungswerkes beschlossen. Für das Jahr 2024 wird die Dynamisierung der Renten bei 1,25 Prozent liegen. In beiden Jahren erfolgte die Gremienentscheidung mit Blick auf die Folgen der langen Niedrigzinsphase und erst recht vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen (unter anderem Nachwirkungen der Coronapandemie, Ukrainekrieg). Gegenwärtig ist noch nicht abzusehen, wie sich die stark gestiegene Inflation sowie die seitens der Notenbanken eingeleiteten Zinserhöhungen mittel- und langfristig auf den Kapitalanlagemarkt auswirken werden. Um die Größenordnung näherzubringen, innerhalb der wir uns bewegen: Die Dynamisierung in Höhe von 1,5 Prozent allein in der Grundversorgung erfordert für das Jahr 2023 einen Mehraufwand in Höhe von circa 320 Millionen Euro. Eine Erhöhung angelehnt an die aktuelle Inflationsrate würde demnach – für 2023 – Mehrkosten jenseits der Milliardenmarke verursachen.

Mit Blick auf die Niedrigzinsphase und erst recht vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen hatte und hat die ärztliche Selbstverwaltung in einem breiten fraktionsübergreifenden Konsens bewusst die Stärkung der Eigenmittel zur Sicherheit und Stabilität des Versorgungswerkes befürwortet. Trotzdem werden Jahr für Jahr die Möglichkeit und der Umfang von Leistungserhöhungen vom versicherungsmathematischen Gutachter, der Verwaltung selbst und seinen Organen, der Kammerversammlung und der Aufsicht intensiv geprüft.

6. Wie definiert sich eine attraktive Versorgung?

Es ist ganz wichtig zu betonen, dass die Ärzteversorgung nicht nur eine Altersrente, sondern auch noch weitere Leistungen sicherstellt: eine Berufsunfähigkeitsrente, die Hinterbliebenenversorgung, Sterbegeld, Kinderzuschläge und Reha-Unterstützung, wofür Mittel aus den Beiträgen benötigt werden. Auch wird bei den Renten die individuelle Chance, lange zu leben, von der Gemeinschaft abgesichert. Und trotz Corona-Auswirkungen ist langfristig weiter von einer steigenden Lebenserwartung auszugehen, die in einem Versorgungswerk Erhebungen zufolge auch deutlich über der der Gesamtbevölkerung liegt.

Eine attraktive Rentenhöhe ist nicht nur von der jährlichen Rentendynamik abhängig. Vielmehr kommt es auch ganz wesentlich auf das Renteneingangsniveau an, das bei der ÄVWL von Anfang an hoch war und nach wie vor konkurrenzfähig ist, sowie auf dessen Zukunftsfähigkeit für alle Mitglieder.

7. Fazit

Auf lange Sicht kommt es neben den eingehenden Beiträgen darauf an, welches tatsächliche Kapitalanlageergebnis erwirtschaftet wird: Denn alle Erträge werden schließlich in einem Versorgungswerk nur zum Erhalt von Leistungen oder zur Verbesserung von Leistungen eingesetzt.

Hierbei wird es immer auf den Dreiklang von ausreichend sicherer Deckungsrückstellung, hinreichend vorhandenen Rücklagen und angemessener Überschussbeteiligung ankommen. Der im Geschäftsjahr 2022 vorgenommene erste Schritt zur Anpassung des Rechnungszinses auch unter Einsatz der vorhandenen Rücklagen ist somit auch ein vorsichtiger Schritt der besseren Ausbalancierung hin zur mehr Möglichkeiten der Überschussbeteiligung.

Der langfristige Vergleich seit 1960 zeigt, dass diese Systematik einer Finanzierung aus Beiträgen und aus Kapitalerträgen für die Solidargemeinschaft der ÄVWL insgesamt durchaus von Vorteil war.

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